CD-Cover
Yann-Fañch Kemener
Gwerzioù & Sonioù

Leicht zugänglich ist dieses Album wirklich nicht. Yann-Fañch Kemener war mir als bretonischer Sänger (trotz seiner sechs Alben zuvor) bisher verborgen geblieben, und nach dem ersten Anhören der durchweg à capella gesungenen, Schwermut verbreitenden Lieder stellte sich bei mir eine gewisse Ratlosigkeit ein: Irgendwie klang das alles recht einförmig und eintönig. Doch das sollte sich ändern. Die relativ hohe aber kraftvolle und sicher intonierende Simme Kemeners entwickelte nach mehrmaligem Hören ihren Reiz; auch die Differenziertheit der Liedtypen (gwerzioù sind Balladen mit episch-historischen, mystischen und religiösen Inhalten; sonioù sind mehr oder weniger "flotte" Lieder, die die Liebe oder/und den Krieg besingen) eröffnete sich mir nach und nach.

Das Liedmaterial ist z. T. sehr alt, läßt sich mitunter bis ins 15. Jahrhundert zurückdatieren. Es entstammt vorwiegend der Barzaz Breizh, die Hersart de la Villemarqué vor etwa 150 Jahren zusammenstellte. Die von Kemener ausgewählten Lieder sind in der Tat von einer so (von mir nicht erwarteten) starken poetischen Ausstrahlung, daß sie es mit vergleichbaren irischen oder schottischen Balladen (ich denke da z.B. an Willie O'Winsbury oder Lord Baker) durchaus aufnehmen können. Direkte Parallelen finden sich z.B. in Aotroù ar c'hont. Inhaltlich außergewöhnlich ist vor allem Barzh en Turki, ein Lied, das von gefangenen Soldaten in der Türkei erzählt. Ich wünschte mir, noch mehr Zeit für diese Besprechung gehabt zu haben, denn dieses Album zeigt eine (auch mir) noch nicht so bekannte Seite des bretonischen Volksliedes, und so manches Detail gilt es noch zu entdecken.

Roland Schmitt, Folk Michel 6/91



Aufgenommen: 1988 (51:25), 10 Titel, Beiheft in frz.
CD: Iguane / Coop Breizh YFK01
zurück zur CD-Liste