Roland Becker & Laure Le Gurun
La musique bretonne

An einem handlichen Nachschlagewerk zur bretonischen Musik hat es bislang gefehlt, an einem kompetenten jedenfalls, denn meist haben esoterische Keltomanen dieses Gebiet mit viel Unsinn okkupiert. Der handliche und erschwingliche Band von dem in allen Sätteln gerechte Profimusiker Roland Becker und der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlerin Le Gurun bietet in über 30 Kurzartikeln viel Wissenswertes über Geschichte und Gegenwart der bretonischen traditionellen Musik. Drei Oberkapitel teilen das Thema in einen allgemeinen Teil "Musique & société traditionelle", einen instrumentenkundlichen und einen sehr lesenswerten gegenwartsbezogenen, der sich mit der Musik unter dem Gesichtspunkt der Verstädterung der ländlichen Traditionen beschäftigt. In der Einleitung werden einige grundsätzliche Dinge erläutert, z. B. was und wo sind Haute- und Basse-Bretagne, welche Tänze sind wo in Gebrauch (hier wäre eine Übersichtskarte hilfreich), was ist ein Gwerz, was gibt es an anderen Gesangsarten? Ebenfalls in der Einleitung wird in Fragen der Instrumentalmusik eingeführt, einschließlich eines kurzen und verständlichen Grundkurses in bretonischer Musiktheorie (Rhythmus- bzw. Takt- und Melodiestruktur mit Beispielen). Schon diese Einführung ist so kurz wie präzise und wendet sich nicht in erster Linie an den Musiker, sondern bleibt allgemeinverständlich. Im ersten Teil wird dargestellt, welchen Background die traditionelle Musik in der Bretagne hat, mit anderen Worten, ihr Gebrauchswert wird geschildert (Jours de fête, Hochzeiten etc.), das gesellschaftliche Ansehen der Musiker in der Vergangenheit angesprochen, aber auch Höhen und Tiefen der Entwicklung wie der Niedergang des Biniou, des traditionellen Dudelsacks, bis in die 30er Jahre, geknüpft an den Verfall der zugehörigen Musikstücke.

Der Instrumententeil ist nicht weniger erhellend. Wo spielt man Biniou, wo den Schotten und wo die Veuze (ein in den letzten Jahren wieder aufkommender Dudelsacktyp, der ganz im Südosten der Bretagne gespielt wird). Hierzu gibt es jeweils ein Unterkapitel, wo man in knappster Form auch etwas über Namen, Herkunft, Konstruktion, Tonumfänge und bedeutende Instrumentenbauer erfährt (kein Verzeichnis der aktuellen Maîtres). Dasselbe natürlich zur Bombarde und zur Kombination Biniou-Bombarde, versteht sich. Desgleichen zur Klarinette (Treujenn-gaol), Geige und Drehleier (nur im Norden), Akkordeon, Harfe und Schlagwerkzeug. Hier ist einiges Wissenswertes verborgen über Herkunft, Kommen, Gehen und gegenseitiges Verdrängen der Instrumente.

Alle Unterkapitel haben einen kleinen Anhang über die wichtigsten derzeitigen Musiker des jeweiligen Instruments (jedoch ohne brauchbare Diskographie) und sind reich bebildert (die Druckqualität der Photos ist nicht immer befriedigend). Sehr informativ finde ich die Chronologie am Schluß, die zwar etwas verwegen mit dem 5. Jh. anfängt, aber in neuerer Zeit bedeutende Persönlichkeiten für die bretonische Musik, Gründungsdaten wichtiger Vereinigungen und ab dem 2. Weltkrieg die Championatsgewinner in den traditionellen Sparten aufführt (bis 1995). Die wichtigsten regelmäßigen musikalischen Ereignisse sind in einer Agenda Breton nach Monaten aufgeführt (sie finden ja meist in immer denselben statt). Ein Augenpulver ist die Bibliographie in einer 6-Punkt-Schrift, dazu noch alphabetisch sortiert. Sie taugt nur zum Auffinden der Zitate. Für eine knappe und kompetente Einführung ist das Buch so vorbildlich wie empfehlenswert, eine englische und deutsche Übersetzung wünschenswert.

Andel Bollé, Folk Michel 4/97

2. erweiterte. u. korrigierte Auflage, 120 Seiten, ISBN 2-909924-19-X.
Bezug: Coop Breizh, Spezet, 1996 - FF 68

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