7. Möllner FolksFest der internationalen Begegnung /
23. EBU-Folk-Festival

(Mölln, 21. - 23. Juni 2002)

So international wie dieses Jahr war das Möllner FolksFest wohl noch nie. Beim Begrüßungsempfang im Rathaus beschrieb Organisator Manfred Kerl das Zittern seiner Knie, als Hanni Bode vom Deutschlandradio Berlin ihm das Angebot machte, das EBU-Festival in Mölln zu veranstalten. Jetzt waren sie da: 17 Bands aus Europa und Australien, die in der Möllner Altstadt drei Tage lang internationales Flair verbreiteten.

Terra Folk aus Slowenien, die das Programm im Theater des Augustinum eröffneten, beeindruckten das Publikum mit einem hemmungslosen Mix aus Folkmusiken verschiedenster Herkunft, in den klassische und jazzige Elemente wie selbstverständlich integriert waren. Bei allen Ausflügen ließen diese vier sympathischen, quirligen Virtuosen immer wieder traditionelle Strukturen erkennen und überzeugten als einer der Höhepunkte des Festivals.
Tolhaje aus Polen stellten die Geduld des großenteils älteren Publikums schon eher auf die Probe. Ihre als "Jazz mit traditionellen Wurzeln" angekündigten Klänge gingen an diesem Abend stark in die experimentelle Richtung. Erstaunlicherweise blieb das Publikum, von einzelnen abgesehen, entschlossen sitzen. Der Beifall war verdient, denn ganz zweifellos sind auch diese preisgekrönten jungen Musiker Asse auf ihren Instrumenten und wissen musikalisch genau, was sie tun. Im übrigen zeigten sie am Sonnabend auf dem Marktplatz, dass sie auch ein konventionelleres folkig-jazziges Programm von reizvoll arrangierten, sehr rhythmischen Liedern und Tänzen beherrschen. Besonders die junge Sängerin beeindruckte mit ihrer kraftvollen und ausdrucksstarken Stimme.
Ganz international (und sehr laut) wurde es zum Abschluss des Freitags mit der Kölner Schäl Sick Brass Band und ihrer bulgarischen Sängerin Iwanka Iwanowa. Über Deutschlands Aushängeschild zur Weltmusik müssen hier eigentlich keine Worte verloren werden.

Spät nachts bekamen wir im Stadthauptmannshof gerade noch die letzten Lieder des australischen Duos Women in Docs mit. Die selbst verfassten Songs der beiden jungen Frauen aus Brisbane kamen eher poppig als folkig daher, mit klaren, aber sehr gegensätzlichen Stimmen präsentiert, durchgehend mit der E-Gitarre begleitet, die aber meist nicht allzu sehr störte. Das Publikum war sehr angetan, nicht zuletzt wohl auch von der sympathischen Begeisterung der beiden darüber, in Europa und auf diesem Festival zu sein. Ebenfalls im Stadthauptmannshof waren Pole Pole zu hören - ein finnisch-tansanisches Duo mit Gesang, Kantele und Gitarre. Es überwogen jedoch deutlich die afrikanischen Elemente. Die ruhigen, fast zarten Lieder mit fast schon monotonen Melodien in wenig spektakulären Arrangements waren Geschmackssache, und beim größten Teil des Publikums kamen sie sehr gut an.
Allerdings mussten wir uns vorhalten lassen, Entscheidendes verpasst zu haben: Bruvoll / Halvorsen! Die beiden Norweger aus dem Telemark bauen ihre Musik auf der kirchlichen Gesangstradition ihrer Heimat auf, die geprägt ist von lokaler Vielfalt und ganz eigenen, sonst ungebräuchlichen Skalen. Jon Anders Halvorsen singt, begleitet vom Gitarristen Tore Bruvoll, Psalmen, mittelalterliche Balladen oder auch rhythmische Tanzlieder und versetzte damit zumindest an diesem Abend mehrere sonst als sachlich bekannte Menschen ins Schwärmen.

Auf der Bühne des historischen Marktplatzes (der zum Glück nach einem heftigen Regenschauer wieder trocken war), waren am Sonnabend unter anderem Netlenka und das Ethnica Music Project zu hören. Dass die Musiker um Netlenka wechseln, gehört zum Konzept, und das Programmheft vermerkt nicht einmal den Namen des jungen Mannes, der ihre klare Sopranstimme virtuos auf der Balalaika und anderen russischen Instrumenten begleitete. Einige ihrer Lieder gehörten zum Traditionellsten, das in diesen Tagen zu hören war; andere Titel waren dagegen äußerst experimentell arrangiert - ein Wechselbad, das zumindest zwei Zuhörerinnen etwas ratlos hinterließ.
Abends wurde die Bühne von den beiden "Zugpferden" des Möllner Festivals übernommen - Lecker Sachen und Naked Raven. Sie sind bekannt genug und musikalisch einfach nicht unser Fall, so dass wir es bei der Erwähnung belassen. Das parallel laufende Programm im Stadthauptmannshof entging uns, darunter die Prager Liedermacherin Pavla Milcová mit ihrem Gitarristen Peter Binder und die Bordunisten von Bal de Boiteux aus Flandern, die sich schnell einen Ruf als Geheimtipp erspielt hatten. Spät nachts gaben in der St. Nikolai-Kirche über dem Marktplatz Klapa Cambi eine Probe ihres Könnens. Der zehnköpfige Männerchor aus Kroatien wirkte spaltend: Für die eine waren sie neben Terra Folk ein glanzvoller Höhepunkt des Festivals, die andere vermisste in dem vielstimmigen, durcharrangierten Gesang die Folklore.

Am Sonntag stiegen unter anderem die Nordlichter auf die Bühne - ein extra für dieses Festival gebildetes und von Wolfgang Meyering trainiertes Ensemble aus den norddeutschen Gruppen Schmelztiegel, Die Mollies und Vinkoop, begleitet von Jens Tolksdorf am Saxofon. In den wenigen Proben, die ihnen möglich waren, hatte sich keine wirkliche Geschlossenheit entwickeln können, aber sie boten gemeinsam und in kleinen Gruppen eine breite Palette dessen, was Musikerinnen und Musiker in diesen Gefilden so treiben - von traditionellen Liedern und Balladen über Jazzeinlagen hin zu verhaltenen Instrumentalteilen und selbst verfassten Stimmungsliedern. "Dat du min Leevsten büst" durfte natürlich nicht fehlen, auch wenn das jazzige Arrangement nicht jeden Geschmack getroffen haben dürfte. (Einwurf: "Meinen schon!")
Música Nostra waren mit ihren katalanischen Weisen als Abschluss des Festivals geschickt gewählt. Das siebenköpfige Ensemble hat es sich zur Aufgabe gemacht, die musikalische Tradition der Balearen lebendig zu erhalten. Schwung- und stimmungsvolle mallorquinische Musik, modern bearbeitet, jedoch die Tradition respektierend, dabei völlig frei von Touristenkitsch, heizte dem Publikum am abkühlenden Abend großartig ein.

Erwähnt werden müssen auch die witzige, artistische Gauklergruppe Planlos und die vielköpfige Perkussions-Combo Sambalegria, die Langeweile in den (Zwangs-)Pausen auf der großen Bühne nicht aufkommen ließen. Ein Extra-Lob verdienen darüber hinaus die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die parallel das Kinderfest organisierten, die Künstler betreuten, die Begegnungsstätte als zentralen Treffpunkt bis in die frühen Morgenstunden in Gang hielten und für den so gut wie reibungslosen Ablauf des gesamten Festivals sorgten. Insgesamt haben der Verein Miteinander leben e.V., die LAG Folk Schleswig-Holstein e.V., das Deutschlandradio Berlin und die beteiligten Rundfunkstationen ein Festival von hoher musikalischer Qualität geboten. Das Publikum honorierte dies - was ja leider nicht unbedingt selbstverständlich ist - mit zahlreichem Besuch und hoher Aufnahmebereitschaft. Es ist zu hoffen, dass sich zumindest für einige der Gruppen die Möglichkeit ergibt, ihr musikalisches Können auch anderswo in Deutschland zu präsentieren.

Eine kleine Beobachtung am Rande: Zum Begrüßungsempfang der Stadt spielte Jörg Geschke auf der Gitarre ein Potpourri heimischer Melodien, eingeleitet und abgeschlossen durch "ein sehr bekanntes Schlaflied". Vielleicht haben die Gäste ihm nicht ganz geglaubt, denn viele hoben überrascht den Kopf, als zum Abschluss die Einheimischen "Dat du min Levsten büst" hörbar und melodisch mitsummten. Doch, auch wir haben unsere Volksmusik (Folkmusik?), und Festivals wie dieses sind - in all ihrer Internationalität - geeignet, uns an ihren Wert zu erinnern.

Susanne Kalweit & Brigitte Henselleck, Folker! 5/02

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