Skolvan
Swing, Melodie und Innovation


Eine Band veränderte das Gesicht der bretonischen Fest Noz-Musik

Innovation ist die Stärke von Skolvan. Mitte der Achtzigerjahre war die Band Teil einer grundlegenden Erneuerung der bretonischen Musikszene. Und heute sind sie immer noch die anspruchsvollste Fest Noz-Band der Bretagne - wie ihre jetzt erschienene neue CD Cheñchet'n eus an amzer beweist. Als Skolvan entstand, gab es im wesentlichen zwei Arten, ein bretonisches Tanzfest ("Fest Noz") musikalisch zu begleiten. Da waren zum einen die traditionellen Formen, insbesondere das "couple sonneur", ein Duo mit Bombarde und Biniou (Dudelsack), aber auch der à capella vorgetragene Wechselgesang ("kan ha diskan"). Auf der anderen Seite standen die modernen Bands, die wie Sonerien Du oder Diaouled ar Menez elektrische Instrumente einsetzten und sozusagen traditionell tanzbaren Folkrock spielten.

Zwischen beiden Lagern war eine tiefe Kluft. Man könnte auch sagen eine breite Lücke - in die Mitte der Achtziger-Jahre eine Handvoll junger Gruppen stieß. Neben Skolvan gehörten auch Pennoù Skoulm und Storvan zu den Pionieren. Sie machten zwar akustische Fest Noz-Musik, banden das archaisch klingende Sonneur-Duo jedoch in einen folkigen Gruppen-Sound ein. Das war die Geburtsstunde einer neuen Formel, die seitdem unzählige bretonischen Gruppen benutzten.

Die "tiefergelegte" Bombarde

Schon damals hatte die Musik von Skolvan einen ganz speziellen Klang, weil sowohl auf Bombarde wie auch auf den Dudelsack verzichtet wurde. Beides empfand die Band als zu hervorstechend. Deshalb ersetzte Fañch Landreaus Geige den Dudelsack, während Youenn Le Bihan als Ersatz für die Bombarde gleich ein neues Instrument erfand, das er an barocke Formen der Oboe anlehnte. Gegenüber der Bombarde klingt es tiefer und milder. Gebaut hat es Le Bihan selbst, den Namen "Piston" hat es jedoch von dem mit der Gruppe befreundeten bretonischen Gitaristen Soïg Sibéril erhalten. Der Begriff klingt spanisch und wurde angeblich auch auf einer Spanien-Tournee gefunden. Ein Nonsense-Name, wie oft behauptet, ist "Piston" allerdings nicht, denn so heißt auch ein den Ton erniedrigendes Pumpenventil bei der Trompete.

Mit zur Urbesetzung von Skolvan gehörten noch Yann-Fañch Perroches am Akkordeon und Gilles Le Bigot an der Gitarre. Le Bigot hatte zuvor schon mit Alan Stivell gespielt und (gemeinsam mit Soïg Sibéril) die DADGAD-Gitarren-Stimmung in der bretonischen Folk-Szene verankert. "Die offene Stimmung passt viel besser zur bretonischen Musik, weil sie modal ist", erklärt sich Le Bigot die vielen Nachahmer, "während in der eher tonalen irischen Musik auch die klassische Stimmung Sinn macht".

Swing und Melodie

In der musikalischen Umsetzung war Skolvan von zwei Ideen geleitet, die auch heute noch für die Gruppe maßgeblich sind. Zum einen will man Fest Noz-Musik mit einem gewissen Swing spielen. Zum anderen gilt den Melodien bei der Auswahl des Repertoires besonderes Augenmerk. "Viele unserer Kompositionen landen wieder im Papierkorb, weil die Melodie nicht schön genug ist", erzählt Gilles Le Bigot, der gemeinsam mit Youenn Le Bihan für die meisten Eigenkompositionen verantwortlich ist. Auch die Recherche nach passendem traditionellem Material sei deshalb besonders aufwendig.

Bei Gründung von Skolvan war das Quartett alles andere als musikalisch unerfahren. Gilles Le Bigot war bereits Berufsmusiker, die anderen unterrichteten am Konservatorium für traditionelle bretonische Musik in Ploemeur. Dennoch dauerte es bis zur ersten offiziellen Aufnahme immerhin vier Jahre. Damals war es noch nicht so einfach, im Heimstudio einen eigenen Tonträger herzustellen. "Und das war gut so", betont Le Bigot, "eine Gruppe konnte damals noch in Ruhe reifen". Vertreten war Skolvan dann auf dem legendären Sampler Dañs, der einen ersten Überblick über die neu entstandenen akustischen Fest-Noz-Gruppen gab. Mit dabei neben den oben erwähnten Pennoù Skoulm und Storvan auch BF 15, Strobinell, Strakal und Carré Manchot.

Schon ein Jahr später, 1989, folgte die erste eigene Cassette musique à danser. Herausragend gut war aber erst das Album Kerzh Ba'n dans (1991), eine äußerst homogene Produktion mit einem wirklich konstanten Swing. Besonderes Bonbon auf dieser CD sind zwei Kan ha Diskan-Nummern mit Yann-Fañch Kemener und Marcel Guillou. Sie entstanden live bei einer zufälligen Fest Noz-Begegnung und gefielen der Gruppe so gut, dass sie sie sofort auf das gerade im Entstehen befindliche Album übernahmen. Kemener sollte von da an auch auf den kommenden Produktionen auftauchen.

Ein Quantensprung

Vorläufiger Höhepunkt der Karriere von Skolvan war dann das 1994 erschienene Album Swing & Tears, das sowohl vom französischen Trad Magazine, wie auch vom englischen Pendant Folk Roots zum "Album of the Year" gewählt wurde. Die Platte enthielt nicht nur gut arrangierte Tanzmusik, sondern war ein ambitioniertes Projekt, das mit vielen Gastmusikern umgesetzt wurde. Bemerkenswert vor allem die Bläser-Sektion, die auf zahlreichen Stücken eingesetzt wurde. Neu auch das Spiel mit den bretonischen Tanzformen. So findet sich auf Swing & Tears etwa ein wunderschöner für sich stehender Bal Plinn, der nicht in die übliche Suite eingebettet ist (Bal Plinn du Vertige). Und ein sonst nur knapp gespielte "Appell" an die Tänzer wurde zum eigenständigen vier Minuten langen Stück entwickelt.

In der Folgezeit gab es dann einige Umbesetzungen bei Skolvan. Geiger Fañch Landreau verließ 1997 die Gruppe und gründete später das Folk-Jazz-Projekt Filaj?. Ersetzt wurde er durch den Sopransaxophonisten Bernard Le Dreau, der erst durch Didier Squibans An Tour Tan-Projekt zum Folkmusiker wurde. Hinzu stieß als fünftes Bandmitglied der Percussionist Dominique Molard, der schon bei Swing & Tears mitgewirkt hatte. Schwer zu verkraften war ein Jahr später der Ausstieg von Akkordeonist Yann-Fañch Perroches, der wohl sehr überraschend gekommen ist - die Gruppe hatte gerade mit den Vorbereitungen für die neue CD begonnen. Näheres zu den Hintergründen will man aber nicht sagen. Als Ersatz-Akkordeonist wurde jedenfalls nach einigen Krisenmonaten Loïg Troel gefunden, der zuvor eine sechsmonatige "Schwangerschaftsvertretung" bei Diwall absolviert hatte. Mit seinen 20 Jahren ist er nun der Benjamin in einer Band, deren übriger Altersdurchschnitt inzwischen deutlich über 40 liegt.

Ordnung in neuen Rollen

Mit der neuen Besetzung ist Gilles Le Bigot aber durchaus glücklich. "Das ist eine ganz neue Art, unsere Musik zu denken". So gibt es jetzt viel klarere Rollenzuordnungen. Im Zentrum stehen dabei Le Bihan (Piston) und Le Dreau (Sopransaxophon) als "couple sonneur moderne". Gitarre und Percussion sind für den Rhythmus zuständig, während das Akkordeon "wie der Zement mit den Steinen kommuniziert".
Das neue Album Cheñchet'n eus an amzer hält Le Bigot für das Beste, das die Gruppe je gemacht hat. Und ganz falsch liegt er damit sicher nicht. Die CD enthält jede Menge originelle, swingende und melodiöse bretonische Tanzmusik. Sie ist zwar kein neuer Quantensprung wie Swing & Tears, hält aber problemlos das Niveau. Skolvan ist damit anderen Fest Noz-Bands in künstlerisch-konzeptioneller Hinsicht weiterhin deutlich voraus. Wieder sind viele Gastmusiker an der CD beteiligt und wieder war eine Bläser-Gruppe eingeladen, deren Parts Le Bigot diesmal selbst arrangiert hat. Herauszuheben ist das Stück my favourite things, eine Musical-Melodie, die der US-Jazz-Saxophonist John Coltrane bekannmachte und die Skolvan nun zum Folk-Walzer umarbeitete - traumhaft gut. Und der Track Pedenn findet sich gleich mehrfach, in völlig unterschiedlichen Arrangements, auf der CD. Der Titel Cheñchet'n eus an amzer bedeutet auf deutsch "die Zeiten haben sich geändert". Angespielt wird damit auf das neue Jahrtausend, aber auch die neue Band-Besetzung. Aber eigentlich entstammt der Titel einem ziemlich melancholischen bretonischen Traditional, das sich ebenfalls auf der CD befindet.

Skolvan spielt bislang nur gelegentlich in Deutschland, zuletzt beim Tanzhausfest in Leipzig. Eigentlich würde die Gruppe aber gerne viel häufiger bei uns touren. Ich bin davon überzeugt, dass es in Deutschland einen großen Markt für unsere Musik gibt, so Gilles Le Bigot. Was der Gruppe noch fehlt, ist ein deutscher Konzertmanager.
Kontakt: Gilles Le Bigot, Tel/Fax: 0033 / 298 923793, email: Gilles Le Bigot.

Christian Rath, Folker ! 1/2001



Diskographie:

Musique à danser, 1989, diffusion breizh
Kerzh ba'n dans, 1991, Keltia Musique
Swing & Tears, 1994, Keltia Musique
Cheñchet'n eus an amzer, 2000, Keltia Musique
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