Didier Squiban
Der Pianist vom Ende der Welt

"Wollen Sie das Klavier wirklich in der bretonischen Folkmusik verwurzeln" wurde Didier Squiban jüngst in einem Interview gefragt. "Es bleibt mir ja nichts anderes übrig, ich kann nur Klavier spielen", war seine trockene Antwort.
- Nein, das Klavier ist wirklich kein traditionelles Instrument der Bretagne. Auch im Folk-Revival hat es bis Mitte der 90er-Jahre keine nennenswerte Rolle gespielt. Doch seit Didier Squiban sich der keltischen Musik verschrieben hat, ist das anders. Inzwischen hat der umtriebige Pianist aus dem Finistère (vom lat. "finis terrae"), dem äußersten Westen der Bretagne, sogar eine erfolgreiche Solo-CD vorgelegt.

Alles begann mit der großen Show "L'Heritage des Celtes", die 1994 unter der Leitung des Gitarristen Dan ar Braz die Hallen in Frankreich und die Kassen der Plattenfirma Sony füllte. Als kurzfristig ein Pianist gesucht wurde, der den Sänger Yann-Fañch Kemener bei einigen Stücken begleiten sollte, fiel die Wahl auf Squiban, der bis dahin eher konventionellen Jazz zwischen Cool und Bebop gespielt hatte.

So lernte Squiban seinen künftigen Partner Kemener kennen - und die bretonische Kultur. Schon 1995 nahmen die beiden ein erstes gemeinsames Album auf. Enez Eusa wurde ein großer Erfolg. Die eindringliche Stimme Kemeners wurde in das weiche und melodiöse Klavierspiel Squibans eingebettet, es entstanden zeitlos schöne Aufnahmen voll melancholischer Leichtigkeit. Die zweite, eher hörspielartige CD Ile-Exil setzte dieses Konzept fort, war aber weniger homogen. Eine dritte Squiban-Kemener-CD, diesmal vor allem mit Tanzmelodien, wird demnächst erscheinen.

Die beiden verstehen sich als gleichberechtigtes Duo. Zwar ist Kemener, der im letzten Jahr sein 25-jähriges Bühnenjubiläum feierte (siehe Folker 2/98), einer der wichtigsten Sänger der Bretagne, doch auch Squiban hat einiges einzubringen. Zahlreiche Jazzplatten tragen seinen Namen, auch Sirius, das Jazzorchester der Bretagne, stand unter seiner Leitung. Über die Zusammenarbeit mit Kemener sagt Squiban selbstbewußt: "Ich hatte von bretonischer Kultur keine Ahnung, doch er wußte nichts über Musiktheorie. Wir können uns also gegenseitig einiges beibringen". In gemeinsamen Konzerten wirkt der eher legere Squiban allerdings doch mehr wie ein Begleiter des hochkonzentriert auftretenden und festlich gekleideten Yann-Fañch Kemeners. Vor drei Jahren hat Squiban das Jazz-Orchester an den Nagel gehängt. Doch gelernt ist gelernt. Auch in der Folk-Szene gibt es viel zu arrangieren und kann er größere Ensembles leiten.

So entstand 1996 als Auftragsarbeit für die Windjammer-Parade "Brest 96" das orchestrale Werk Penn-ar-bed (bret. "Ende der Welt"), das in Brest, dem äußersten Westen der bretonischen Halbinsel, aufgeführt wurde. Die wichtigsten Musiker dieser Produktion - u.a. Yann-Fañch Kemener, Manu Lann Huel (beide Gesang), Jean-Michel Veillon (Querflöte) und Alain Genty (E-Baß) - hat Squiban inzwischen zu der 13-köpfigen Gruppe An Tour Tan (bret. "Leuchtturm") vereint.

Neben all diesen Aktivitäten hat Squiban jüngst noch eine Solo-Karriere gestartet. Mit großem Erfolg. Von seinem ersten Album Molène, (benannt nach einer kleinen Insel vor der Westküste der Bretagne) wurden seit 1997 bereits mehr als 25.000 CDs verkauft. Für Squiban war diese Platte sehr wichtig ("Das ist jetzt mein Ding"). Vielleicht auch, weil er so endgültig aus dem Schatten Kemeners heraustreten konnte. Auf Molène ist nur das Klavier Squibans zu hören. Die überwiegend traditionellen bretonischen Melodien werden meist ruhig-verträumt, gelegentlich auch rhythmisch-akzentuiert, aber immer gefällig präsentiert. Von der Jazz-Vergangenheit Squibans ist in dieser Produktion wenig zu hören - obwohl bei Kritikern oft der Vergleich zu Keith Jarrett gezogen wird. Man könnte aber auch an George Winston denken, der in Deutschland mit Solo-Piano-Alben wie "Summer", "Autumn", "Winter" usw. bekannt wurde und im Plattenladen unter "Meditationsmusik" zu finden ist. Squiban kennt Winston nicht, sagt er. "Ich habe aber nichts dagegen, wenn man zu meiner Musik meditiert". Wie dem auch sei, "Molène" ist ein wunderschönes Album - man muß nur dazu stehen.

Für das deutsche Publikum war Squiban bisher wenig zugänglich. Im September gab er (gemeinsam mit Kemener) sein erstes Konzert in Deutschland - beim Folkfest im saarländischen Kirkel. Auch seine Platten sind bisher im normalen deutschen Vertrieb nicht erhältlich. Das aber soll anders werden, versichert Squiban. Die bereits geplante nächste Solo-CD wird in Deutschland wohl sogar bei einem Major-Label (Warner) erscheinen.

Christian Rath, Folker ! 6/98

Folk-Diskographie:

mit Yann-Fanch Kemener:
CD Enez Eusa, 1995 (L'OZ 02)
CD Île-Exil, 1996 (L'OZ 11)

mit An Tour Tan:
CD Penn-ar-Bed - Brest 96, 1996 (L'OZ 08)
Maxi-CD Live, 1997 (L'OZ 12)

Didier Squiban solo:
CD Molène, 1997 (L'OZ 17)

zurück zum Artikelverzeichnis

zurück zum Basar-Index