INSEL-NACHT
Seevetal, 22.02.1997

Zum fünften Mal fand in diesem Jahr die Inselnacht in Seevetal statt - eine kleine Tradition.
Das Programm war ungeniert keltisch: Cran, die Old Blind Dogs, Garifin (die ich leider nicht mehr hören konnte) und Jens Kommnick.

Im Saal war kaum durchzukommen - mehrere hundert Leute, von Punk-Pulks bis zum Familienclan, drängelten sich nach Bier, Frikadellen und Musik. Leider blieb der Geräuschpegel auch während der Sets entsprechend. Dies war der Qualität der Bands nicht angemessen; aber um die Qualität schien es dem Publikum nicht so sehr zu gehen wie um einen "netten" Abend, und das war diese Inselnacht sicher - auch wenn die Musiker hart arbeiten mußten.

Jens Kommnick, Meister auf vielen Instrumenten und in vielen Gruppen, eröffnete den Abend mit eigenen Stücken. Er war ganz offensichtlich auf Knöpfen und Saiten wesentlich mehr zu Hause als beim gesprochenen Wort, entledigte sich seiner Aufgabe als "Zeremonienmeister" jedoch sehr geschickt.

Das Zusammentreffen der beiden keltischen Gruppen versprach spannend zu werden, bildeten sie doch nahezu entgegengesetzte Pole, was die Möglichkeiten des Umganges mit traditioneller Musik angeht.

Cran vertreten die Auffassung, daß traditionelle Musik "rein" erhalten werden müsse. Jedes moderne Arrangement schädige die Musik, meinte Ronan Browne, der mit Desi Wilkinson und Sean Corcoran den "harten Kern" der Band bildet. Er habe jedenfalls noch keines gehört, das passend gewesen wäre. Harry Bradley und Kevin Glackin ergänzten: "We like jazz, blues, anything - we just hate fusion!" Nach Deutschland kommen sie gern, denn "The Germans are starved of good music, they're very enthusiastic. In Ireland there is too much music." Ihr Set umfaßte denn auch solide traditionelle Arrangements und einige wenige Lieder. Ein beeindruckendes Fiddle-Solo von Kevin Glackin ging allerdings fast in den Nebengeräuschen unter, die beängstigend anschwollen, bis der Saal wieder Gelegenheit zum Mitklatschen fand.

Auch die Old Blind Dogs verleugnen nicht die Tradition (in diesem Fall die schottische) als ihren Ausgangspunkt. Sie betrachten es allerdings als Abenteuer, ungewöhnliche Instrumente (z. B. Congas und Djembe) zu integrieren oder Anleihen bei anderen Genres, z. B. beim Jazz zu machen. Das verleiht selbst "ollen Kamellen" wie den Barnyards of Delgaty einen ungewohnten Drive, und auch die ehrwürdige Ballade vom Battle of Harlaw wurde nicht weniger eindrucksvoll durch den Kontrast zwischen Ian Benzies warmer, ruhiger Stimme und der dezenten Percussion. Man merkt, daß Davy Cattanach eigentlich mehr aus der Rock- und Reggae-Richtung kommt; er ist imstande, auch der traditionellsten Melodie einen Hauch von Karibik mitzugeben. Auch John Hardie, Buzzby McMillan und der erst kürzlich hinzugekommene Fraser Fyfield mit seinem Saxophon sorgen immer wieder für Überraschungen.

Die Arrangements mögen dem Tradition gewohnten Gehör nicht in jedem Fall passend erscheinen. Aufs Ganze gesehen könnte ich mir jedoch vorstellen, daß die Herangehensweise der Dogs mehr für das Überleben der Tradition verspricht als der konservierende Ansatz von Cran.

Susanne Kalweit, März 97 unveröffentlicht

Bericht von der INSEL-NACHT 1998



zurück zur Historie / zurück zum Artikelverzeichnis

zurück zum Basar-Index