INSEL-NACHT
Seevetal, 06.03.1998

Längst zu einer festen Einrichtung ist sie geworden, die Insel-Nacht zu Burg Seevetal - das kleine (Irish-)Folkfestival an der Südkante Hamburgs fand heuer zum sechsten Male statt. Wie ist sie überhaupt entstanden ? Der Organisator und "Vater der Insel-Nacht", Jens Lewandowski, erzählt: Die Gemeinde Seevetal wollte ihr 20-jähriges Bestehen (1992) in etwas "untypischer" Weise feiern und man organisierte ein 3-tägiges "Folks-Vergnüügen", welches seinen Höhepunkt in der Insel-Nacht fand; diese wurde so gut angenommen, daß sie jährlich fortgesetzt wurde. Seinen Namen erhielt das Festival, da die hier auftretenden Musiker überwiegend von der "Insel" (=Irland) kommen, doch traten in der Vergangenheit auch "anders-keltische" Gruppen auf.

Eröffnet wurde die Insel-Nacht von der hamburgisch-irischen Gruppe Boreen, die sich seit 1995 bereits einen großen Namen erspielt hat. Jane O'Briens wunderbar kraftvolle (Alt-)Stimme überzeugt und besticht insbesondere bei Balladen wie the Blacksmith. Die rein traditionelle Spielweise der Musiker, verstärkt noch durch die fast "klassische" Instrumentierung (Uilleann-pipes, Geige, Git., Cittern, Acc., Querflöte, Bodhran), bot ungewohnte Kontraste zu Jane's eher dynamischem mitunter leicht swingendem Gesangsstil. Unterstützt wurden Boreen an diesem Abend durch den bekannten Harfinisten Thomas Breckheimer.

Ein vom Publikum begeistert aufgenommenes Experiment war der kurze, nicht im Programm angekündigte, Auftritt des Chores Moron, der sich ganz dem uralten vorchristlichen Gesang verschrieben hat. Er besteht aus 6 Gymnasiasten aus HH-Harburg zwischen 16 und 18 Jahren, formiert um Arne Paysen, der die Stücke selbst arrangiert hat; bis zu 4-stimmig in altfranzösisch, gälisch, mittelhochdeutsch oder auch gregorianischen Gesang. Die Quellen dieser Gesänge sind sehr unterschiedlich, sie reichen von den uralten Merseburger Zaubersprüchen bis hin zu Stücken von Clannad. Am "ohrenfälligsten" für den Zuhörer war aber die Nähe zur irische Gruppe Anuna, die sich der mittelalterlichen irischen Gesangstradition widmet. So tauchten im Programm auch Stücke aus deren Repertoire auf. Obwohl erst im letzten Jahr gegründet, wurde Moron 1998 Sieger bei Jugend musiziert Hamburg in der Sparte Alte Musik. Man darf gespannt sein, was von diesen jungen Künstlern noch zu hören sein wird.

Es folgten Celtic Swing, "echte Insulaner", allerdings verstärkt um einen dänischen Bodhran-Spieler. Diese boten weniger jazzige Arrangements à la Easy Club, als vielmehr handfeste traditionelle Musik à la De Dannan. Auch die Instrumentierung (Git., Geige, Acc. und Bodhran), sowie die Tatsache, daß der Geiger Mick Conneely schon auf einer Amerika Tournee De Dannans dabei war, verstärkten diesen Eindruck. Die flotten Rhythmen animierten das Publikum zu fleißigem Mitklatschen und ein paar Fachkundige sogar zum Tanzen. Abgerundet wurde der Auftritt durch Lieder und humorige Ansagen. Demnächst wird die semi-professionelle Band, die seit 1993 besteht, auf den Namen Errislannan hören; was unserem Empfinden nach auch passender zu sein scheint.

Loose Chippings (ihre erste CD wurde in Folker! 1 besprochen) swingten da schon wesentlich mehr, sie präsentierten souverän und originell arrangiert bekannte Lieder und äußerst schwungvolle Tanzstücke. Überraschende Breaks und jazzige Passagen gaben altbekannten "Evergreens" wie Ride On, Susanna Martin oder Star of the County Down etwas Eigenständiges. Auch hatten sie keine Skrupel, die allgegenwärtige Gitarre vielfach durch Bouzouki zu ersetzen, was den Sound reizvoll variierte. Optisch angenehm wirkte die Gestik, mit der die E-Geigerin und Keyboarderin die Liedinhalte passend unterstrich. Zusammen mit Schlagzeug und Baß sowie einer zusätzlichen Gastsängerin ergab sich ein rockiger Sound der den Gesang noch hervorhob. Trotz großer Spielfreude führte der späte Auftrittsbeginn (nach 23:00 Uhr) dazu, daß inselnachtspezifisch bereits ein Großteil des Publikums entfleuchte. An der Gruppe kann es kaum gelegen haben, denn die gab trotz der fortgeschrittenen Stunde ihr Bestes; der gemeine Dorfmensch geht wohl einfach früh zu Bett.

Zwar ist der mitunter recht hohe Lärmpegel im Publikum bei ruhigeren Musiken störend, doch geht mensch zu diesem Festival nicht nur wegen des Musikkonsums, sondern auch um des Sichtreffens willen, denn nicht nur Guinness vom Faß und Fahnendeko vermitteln ein irisches Ambiente.

Mit rund 350 Besuchern war diese Insel-Nacht gut bevölkert und es ist davon auszugehen, daß auch im nächsten Jahr wieder genügend Insel-Besucher kommen werden. Die Eintrittspreise bewegen sich mit DM 25,- (bzw. DM 15,-) im üblichen Rahmen.

Brigitte Henselleck & Martin Fick, Folker! 3/98

Bericht von der INSEL-NACHT 1997

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